Gedanken zur Jahreslosung 2021

„Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.“ (Lk. 6,36) So lautet die Jahreslosung 2021.

Was bedeutet barmherzig? „Mitfühlend, mildtätig gegenüber Notleidenden; Verständnis für die Not anderer zeigend“ – so erklärt es der Duden. Das griechische Wort, das Lukas verwendet, kann man auch mit „mitleidig“ übersetzen. Es geht um ein Gefühl. Mehr – Jesus geht es um eine Lebenseinstellung.

Lukas setzt die Aufforderung zur Barmherzigkeit in eine Aufzählung verschiedener Jesusworte der sog. „Feldrede“. Wie kann das Leben der Menschen untereinander gelingen? Was will Gott, wie wir leben? Er fordert nicht, er geht selbst in Vorleistung. „Seid barmherzig“, so spricht Jesus zu seinen Zuhörern. Und er spricht nicht von einem Zustand, als könnte ein Mensch Barmherzigkeit besitzen.

Lukas verwendet ein Verb, in dem Bewegung steckt: „geboren/geschaffen werden, sich ereignen, geschehen, zu etwas werden“. Barmherzigkeit kann gar nicht unbeweglich sein. Sie vollzieht sich situationsbezogen unterschiedlich, und sie verändert den Menschen. „Lasst es geschehen, dass ihr barmherzig werdet.“ „Euer Vater (Gott) ist barmherzig.“ An dieser Stelle steht tatsächlich die gebeugte Verform von „sein“. Lukas beschreibt Gott, wie er ist, nicht wohin er sich entwickelt.

Aber Gott bewegt Menschen mit seiner Barmherzigkeit. „Der Mensch gleicht einem Flussbett, durch das das Wasser der Güte Gottes fließt.“ (Eduard Schweizer zu Lk. 6,36) Das Flussbett verändert sich durch die ständige Bewegung durchlaufenden Wassers. Der Mensch kann sich verändern, wenn er oder sie die Güte Gottes durch sich hindurch strömen lässt.

Das alles klingt ziemlich theoretisch. Also begab ich mich auf die Suche nach einer Beispielgeschichte aus heutigen Tagen. Ich las viele. Sie haben mich in ihrer Unterschiedlichkeit angerührt. Aber ich konnte mich für keine entscheiden. Das ist vielleicht gut so. Eine Jahreslosung soll ein Jahr begleiten. Ich bitte Sie, sich immer wieder einmal zu überlegen, wo Sie Barmherzigkeit erlebt haben. Einigen von Ihnen fällt vielleicht schnell ein Beispiel ein, andere werden länger überlegen müssen. Es gibt zu viele Menschen, die traurig sagen: „Ich weiß es nicht.“

Lassen Sie sich Zeit, öffnen Sie sich, um die Güte Gottes durch sich hindurchfließen zu lassen und dann an einen Menschen weiter zu geben. Wichtig: Sie dürfen sich zuerst beschenken lassen. Dann haben Sie etwas zum Weiterschenken.

Herzlich grüßt Sie

Hiltrud Anacker, Supn.

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