Die Dorfkirche zu Naundorf bei Freiberg

Einige sächsische Dorfkirchen fanden schon immer das Interesse von Architekten, Kunsthistorikern oder Musikfreunden, weil sie sich durch besondere Schönheit, Stiltreue, Orgeln oder ihr hohes Alter auszeichneten. Die Mehrzahl der sächsischen Dorfkirchen findet diese Aufmerksamkeit jedoch nicht. Trotzdem haben auch diejenigen Dorfkirchen ihre Reize, die nicht in den Architektur-Reiseführern verzeichnet sind.

Naundorf liegt unweit von Freiberg am Rande des Tharandter Waldes. Historisch ist es mehr von Berg- und Hüttenleuten als von Ackerbauern geprägt. Die Dorfkirche wurde 1783 erbaut, nachdem ihr Vorgängerbauwerk an gleicher Stelle schon 1750 baufällig war. Der Standort der ältesten, vor 1450 erbauten Naundorfer Kirche ist leider nicht genau bekannt. Im Eingangsbereich der heutigen Kirche liegen noch Feldsteine, die vom Fundament der ersten Kirche stammen sollen.

Die Naundorfer Kirche befindet sich inmitten des Friedhofs an einem Südhang neben dem Albertschen Rittergut, auch Volksgut genannt. Mit ihrem wohlproportionierten Turmaufbau und den kleinen Dachluken prägt das 1992 renovierte Bauwerk das Bild des Dorfes am Rande des Tharandter Waldes angenehm, auch ohne einem ausgeprägten Baustil anzugehören („Bauern-Barock“).

Beim Betreten der Kirche fallen zuerst die beiden Emporen und der Altar mit der eingeschlossenen Kanzel auf. 1784 wurden Kanzel und Kanzelaltar vom Naundorfer Erbmüller Christoph Leberecht Patzig gestiftet, vom Tischler Gotthelf Sperken gebaut vergoldetes Kruzifixund vor wenigen Jahren von Eberhard Gerschler restauriert. Die Altarinschrift lautet: „Lob und Ehr und Dank dem Höchsten.“ Der Kanzelaltar wird nur an hohen Festtagen benutzt, gepredigt wird heute vom Lesepult im Altarraum, das von 1742 stammt. Auf dem Altartisch steht ein vergoldetes Kruzifix, gestiftet 1625 von Michael Friedrich.  Der Taufstein ist ebenfalls älter als die heutige Kirche. Zu beiden Seiten des Altars befinden sich verglaste Betstübchen, ebenso auf beiden Seiten der ersten Empore. Sie wurden früher von den Besitzern der Rittergüter, des Erbgerichts, des Forsthauses und von der Pfarrfamilie benutzt. Von den beiden Emporen ist die obere über dem Altar durchgehend. Die Anzahl der Sitzplätze beträgt 470, davon 276 ebenerdig im Kirchenschiff.

Auf der ersten Empore befindet sich im Westen die Orgel. Sie wurde 1904 von der Dresdner Orgelbaufirma Jehmlich als 18-stimmiges Werk mit Pedal und Pedalkoppel erbaut. Im Laufe der Zeit hatte sie stark gelitten, war aber klanglich noch unverändert. Erst 2001 konnte die Kirchgemeinde sie vor allem Dank zahlreicher Spenden aus der Gemeinde vom Radebeuler Orgelrestaurator Lindner überholen lassen.

Steigt man auf den Turm hinauf, so kommt man am Dachboden der Kirche vorüber. Gewisse Ablagerungen auf dem Fußboden verraten schon die Anwesenheit von Fledermäusen. Der Kirchboden ist Sommerquartier für das Braune Langohr. Sodann kommt man am Uhrwerk der Kirchturmuhr vorüber, einem sehenswerten Meisterwerk der Mechanik.

Von den drei Glocken im Kirchturm sind zwei aus Stahl, eine aus Bronze gegossen. Sie werden noch heute zu jedem Gottesdienst von Hand geläutet. Auffallend sind die glatten Kerben, die die Glockenseile im Laufe der Jahrzehnte in das Gebälk gescheuert haben.

Was macht nun das Besondere dieser Kirche aus? Nun eben, daß sie noch eine Kirche ist. Das lateinische Wort für Kirche „ecclesia“ bedeutet nichts anderes als Versammlung – die Versammlung der Gläubigen. Schon längst füllt diese Versammlung nicht mehr alle Plätze in der Kirche aus, aber sie ist lebendig. Sonntags ist der Altarraum reich mit Blumen geschmückt – ein Sinnbild des Lebens. Die Naundorfer gestaltet jeden Gottesdienst selbst liturgisch mit, statt sich vom Pfarrer „berieseln“ zu lassen – ein Zeichen der Aktivität. Kinderkirche, Frauendienst und zwei Hauskreise treffen sich im Ort, Männerwerk und Junge Gemeinde reihum mit den Nachbarorten – ein Stück Kirche selbst.

Lassen wir also die Kirche auch dann im Dorf, wenn sie nicht mit großen Namen wie Gottfried Silbermann oder George Bähr verbunden ist: als lebendes Kulturdenkmal.

Text: Friedemann Klenke

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